Bevor nun Bewohner Wiens und Freunde der Wiener Lebensart einen Herzinfarkt kriegen oder mich mit Mistgabeln und Fackeln durch die Straßen der Stadt jagen, möge man mich erklären lassen.
Vor etlichen Jahren war ich beruflich mit einem Kollegen zusammen in Österreich unterwegs. Wir kamen gegen Abend per Zug in Wien an und mußten vom Hauptbahnhof zum Flughafen, um dort einen Mietwagen abzuholen. Unsere Sekretärin hatte bei der Reiseplanung zwar herausgefunden, daß wir diesen Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln machen konnten, weitere Infos waren aber nicht zu kriegen.
Optisch war der Bahnhof jetzt nicht so der Bringer, eher grau und bedrückend. Daher waren wir froh, ihn schnell verlassen zu können. Unseren Bus zu finden, war nicht einfach. Mehrere Leute, die wir fragten, wußten nicht Bescheid. Erst ein Bahnbediensteter zeigte uns in den Weg: an einem Seitenaußgang waren wir richtig. Der Bus, den wir durch das lange Suchen erst im letzten Moment erreichten, entsprach optisch dem Bahnhof. Ein grießgrämiger Fahrer lenkte das altertümlich Gefährt recht rasant durch den Verkehr und brachte uns so zum nächsten Ziel, dem Flughafen. Vom berühmten Wiener Charme waren wir bis dahin völlig verschont geblieben.
Vom Flughafen sind mir nur noch die freundliche Mitarbeiterin am Mietwagenschalter und endlose Tunnelgänge zum Parkdeck in Erinnerung. Die Reise ging von dort weiter nach Süden, zu einer mehrtägigen Schulung bei einem Lieferanten unserer Firma. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich vielleicht ein anderes Mal erzähle.
Auch beim Rückweg konnte Wien nicht punkten. Der Busfahrer, der uns vom Flughafen zum Bahnhof brachte, obwohl ein anderer als zuvor, erfreute uns mit der gleichen Grießgrämigkeit wie sein Kollege bei der Anreise. Das Sahnehäubchen war jedoch, als wir die ca. zwei Stunden Wartezeit bis zur Abfahrt unseres Zuges für einen Bummel in der Bahnhofsumgebung nutzen wollten.
An einem Freitag Abend, gegen 19 Uhr, in einer durch Film, Funk und Literatur bekannten und gelobten Weltstadt: Cafe – zu, Buchladen – zu, Kiosk – zu, selbst McDonalds – zu! Un-fass-bar!
Die restliche Zeit bis zur Abfahrt verbrachten mein Kollege und ich dann auf einer Bank irgendwo im Bahnhofsgebäude, tranken Cola und hingen unseren Gedanken nach.
Diese Erlebnisse fielen mir wieder ein, als mir die Tage ein Kollege diese Porzellanglocke von zweifelhafter Schönheit gab. Und da brach es aus mir heraus „Wien? Hat mich nicht begeistert!“