Beim Facharzt. Das Wartezimmer ist gut gefüllt, doch es geht nicht vorwärts.

Erst nach 20 Minuten werden Patienten aufgerufen.

Das lange Sitzen hat den Leuten nicht gut getan und so erheben sie sich ächzend und schlurfen mit zombiartigen Bewegungen auf die freundliche Mitarbeiterin zu. Bevor sie die Leute auf die verschiedenen Behandlungszimmer verteilt, fragt sie jeden nach dem Vornamen. Danach herrscht wieder Ruhe.

Ein paar Minuten später: Namen aufrufen, Ächzen, Schlurfen, Vornamen abfragen.

Und wieder Ruhe.

So geht es noch zwei Mal, bis ich aufgerufen werde. Ächzend erhebe ich mich und schlendere auf die nette Dame zu.

„Ihr Vorname?“ fragt sie routiniert. Ich antworte automatisch und ernte einen verwirrten Blick.
Sie „Äh, bitte? Ich habe hier ‚Martin‘ stehen.“
Ich „Jep, das ist korrekt.“
Sie, deutlich verwirrt, „Äh… äh… Sie haben aber gerade ‚Horst‘ gesagt.“
Ich lache in mich hinein, während in ihren Augen Panik aufflackert „Ach, Sie müssen entschuldigen. Gnihihihi. Das ist so ein Running Gag in der Firma: wenn jemand nach einem Namen fragt, antworten wir ‚Horst‘.“

Während das Entsetzen in ihrem Blick immer größer wird, plaudere ich munter weiter „Und es gibt doch so viele berühmte Leute mit diesem Vornamen: Wer kennt nicht die altägyptischen Pharaonen namens Horst oder den unvergessenen römischen Feldherrn Horst Cäsar? Oder Horst, den Cherusker, der den Römer kräftig den Hintern versohlt hat, oder aus der jüngeren deutschen Geschichte den Reichskanzler Horst von Bismarck? Ach ja und vor wenigen Jahren, der letzten Kanzler der SPD: Horst Schröder.“

Die gute Frau taumelt mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen rückwärts an die Wand und deutet zitternd auf eine Tür.
„Da hinein, Mylady?“ frage ich gedehnt und imitiere dabei Klaus Kinski im Edgar Wallace Film „Neues vom Hexer“. Aus ihrem Mund kommt nur undeutliches Gestammel.

„Ok“ nicke ich ihr freundlich zu, „dann warte ich da mal auf den Doktor.“ Im Weggehen drehe ich mich noch einmal um „Und vergessen Sie nicht unseren ehemaligen Bundespräsidenten: Horst… Köhler!“

Während ich die Tür des Behandlungszimmer hinter mir schließe, höre ich draußen ein ersticktes Aufschluchzen und den dumpfen Aufprall eines Körpers auf dem Boden.