Die Welt um mich herum in Fotos und Texten

Jahr: 2021 (Seite 6 von 9)

Montag Morgen

Nach dem sehr warmen Sonntag ist es angenehm kühl.

Über den Parkplatz am Aldi schrillt ein Einbruchalarm.

Ein Streifenwagen fährt vorbei.

Der Altpapiercontainer wurde gerade geleert. Man muss auch mal Glück haben.

In der Warteschlange beim Bäcker stehen verschlafene Gestalten. Nur der Metalhead vor mir scheint wach zu sein. Zumindest bewegt er seinen Kopf im Takt der Musik, die aus seinen Kopfhörern dröhnt.

Langsam bereitet sich die Stadt auf die Arbeitswoche vor.

Erlebnisse Anfang Mai

Ich verlasse das Haus für einige Besorgungen. Das Auto warnt mich: „3,5° Außentemperatur, Gefahr von Glätte“. Das ist genau das, was man am 5. Mai hören möchte.

Mein erstes Ziel ist die Innenstadt, das Parkhaus des Konsumtempels (neudeutsch „Shopping Mall“ genannt). Die erste Ebene ist gut belegt, auf Ebene 2 ist es so leer, daß man entspannt Fußball spielen könnte.

Auf der Ladenstraße dudelt die übliche Musik leise vor sich hin. Nur wenige Leute schlendern durch die Gänge, die meisten Geschäfte sich geschlossen oder verlangen eine Terminabsprache zum Betreten. DM und Supermarkt lassen ihre Kunden jedoch weitgehend unbehelligt eintreten.

Ich erledige schnell meine Besorgungen und verlasse diesen geisterhaften Ort.

Nächster Halt: Getränkemarkt.
Vor den Pfandautomaten herrscht etwas Gedränge. Drei Jugendliche mit zwei Einkaufswagen, die randvoll mit Leergut gefüllt sind, blockieren zwei Automaten. Wer am Dienstag Mittag mit soviel Leergut dort steht, muss aber ein sehr anstrengendes Wochenende gehabt haben.

Ein Typ steht in der Mitte zwischen den Wagen und reicht die Flaschen genervt an seine Kollegen, die sie einwerfen. Irgendwann expoldiert er „Ey, Altaa! Bist du behindert oder was? Nächste Mal kaufst du Kasten, nich lose!“
Ich muss mich echt beherrschen, um nicht lauthals loszulachen. Es ist so klischeehaft.

1. Mai 1921

Heute wäre Vater 100 Jahre alt geworden. Er wollte damit seine Tante einholen, die kurz vor ihrem 101. Geburtstag gestorben war. Leider hat er sein Ziel nicht erreicht.

Geboren und aufgewachsen zwischen den Weltkriegen, hat er wohl eine gute Kindheit gehabt. Zusammen mit vier Schwestern, den Eltern und seiner geliebten Großmutter wuchs er am Rande der Großstadt auf.

Natürlich haben die Jungs auch damals schon viel Unfug getrieben. Und einmal ist Vater gegen die ausdrückliche Anweisungen seiner Mutter über eine Mauer geklettert oder darauf balanciert, hat dabei das Gleichgewicht verloren und ist gefallen.
Da er den Zorn der Mutter fürchtete, hat er nichts gesagt und seine Schmerzen runtergeschluckt. Der Erfolg war, daß er durch dieser Verletzung bis zu seinem Lebensende immer mal wieder Probleme mit dem Knie hatte.
Deswegen hat er uns Kindern später beigebracht, egal welchen Blödsinn wir angestellt hatten, wir konnten jederzeit alles ohne Angst vor Strafe den Eltern beichten.

Der größte Einschnitt in seinem Leben war sicher der Einzug zum Militär mit Anfang Zwanzig. Er erlebte dort Kameradschaft, Zusammenhalt und die Schrecken des Krieges. Nach Ausbildung zum Flak-Schützen ging es über Italien und Jugoslawien bis nach Griechenland. Er hat nicht so viel über die Zeit gesprochen, doch einige Erlebnisse ließen ihn nicht los und er hat mir im Laufe der Jahre davon erzählt.

So wurde auf dem Weg durch Jugoslawien ein Fahrzeug seines Konvoi durch einen Sprengfalle beschädigt. Der Wagen wurde zur Reparatur ins nächste Dorf geschleppt und die SA erfuhr von dem Vorfall.
Sie trieben ein paar Bewohner zusammen, die Vater und seine Kameraden bewachen mußte. Es waren einfache Leute, Bauern, die unter den Folgen des Krieges litten. Durch Vaters „Unachtsamkeit“ entkamen zwei dieser Leute und die Truppe erhielt eine Standpauke eines SA Offiziers. Man holte Ersatz und später erfuhren sie, daß man die Menschen zur Abschreckung und Vergeltung für den Schaden aufgehängt hatte.

Kurz vor Ende des Krieges, lagen sie in Griechenland 24 Stunden unter russischem Beschuss. Die versprochene Hilfe kam nicht und etliche von Vaters Kammeraden starben an diesem Tag.

Diese und ähnliche Erlebnisse machten aus ihm einen überzeugten Pazifisten und er engagierte sich in der Gemeinde und bei der Telefonseelsorge.

Vater hatte eine einzigartige Gabe: unter seinen Händen erwachten defekte Kleingeräte (Wanduhren, Kassettenrekorder, Radios, und ähnliches) wieder zum Leben. Oft sahen die Sachen etwas anders aus als vorher, hatten zusätzliche Schalter, Buchsen oder Anschlüsse für Batterien, aber sie funktionierten perfekt und jahrelang weiter.

So haben wir Kinder gelernt, daß man seine Sachen pfleglich behandelt und schätzt und kaputte Dinge nicht direkt weggeworfen werden müssen, sondern man sich erstmal um eine Reparatur bemüht.

Sein ganzes Leben war Vater aktiv, pflegte den Garten, reparierte im und am Haus viele Sachen. Auch als Rentner legte er die Hände nicht in den Schoß: er lernte Funken mit allen dazu gehörenden Lizenzen und begann sich in die Welt der Computer einzuarbeiten.

Daneben waren Vater und Mutter viel auf Reisen: Griechenland, Frankreich, Schweiz, Kreta und viele Orte in Deutschland waren ihre Ziele. Und als Mitglieder bei den Naturfreunden legten sie manchen Kilometer zurück.

Auch wenn er in den letzten Jahren durch Mutters Krankheit und vor allem nach ihrem Tod langsam seinen Lebensmut verlor, kann man mit Recht sagen, daß mein Vater ein erfülltes Leben hatte.

Einkaufserlebnis am Donnerstag

Ich war heute morgen einkaufen.

Beim Einfahren auf den Parkplatz vor dem Supermarkt wunderte ich mich, daß es um diese Zeit (es war gerade mal 10:00 Uhr) schon so voll war, fast wie an einem Freitag.

Wegen der hohen Corona Zahlen im Stadtgebiet gibt es am Eingang jetzt wieder eine genaue Kundenzählung und es hatte sich dort eine kleine Schlange wartender Kunden gebildet. Wobei mir auffiel, daß das mit dem „Schlange bilden“ nicht jedermanns Sache ist: ein paar Leute versuchten, sich von rechts zwischen die Wartenden zu mogeln und wurden mit einem rüden „HINTEN ANSTELLEN!“ schonungslos auf ihr Fehlverhalten hingewiesen.

Nach ein paar Minuten Geduld konnte mein Einkaufserlebnis endlich beginnen. Kaum hatte ich die Gemüseabteilung hinter mir gelassen, fing prompt meine Nase an zu laufen. „Jetzt bloß nicht niesen!“ dachte ich. Man hat ja schon viele Geschichten gehört, wo ein harmloser Bürger im Geschäft niesen mußte, von einer Horde bulliger Security Leute, die hinter Regalen und Stellwänden lauern, überwältigt und in hohem Bogen aus dem Laden geworfen wurde. Diesen Streß wollte ich mir tunlichst ersparen.

Als mich die Wurstfachverkäuferin mit einem freundlichen „Einen schönen Feiertag“ verabschiedete, war ich zunächst verwirrt. „Was denn für ein Feiertag? Morgen ist doch ganz normal Freitag.“ Dann fiel es mir jedoch wie Schuppen aus den Haaren: Samstag ist 1. Mai!
Da kann man nicht einkaufen!
Deswegen sind die Leute heute schon freitagsmäßig unterwegs!
Und morgen sind sie samstagsmäßig unterwegs, dann wird es noch voller sein!

Beim Verlassen des Ladens gab es eine kurze Rangelei: ein Angestellter in Hemd und Schlips bahnte sich einen Weg durch die Wartenden und gab Kommandos „Frau Müller, lass mal die Leute rein. Ne, nicht zählen! Gehen Sie rein, gehen Sie rein“.
Mit weit ausholenden Gesten dirigierte er die Menschen- und Einkaufswagenmassen „Gehen Sie alle nach recht rüber! Bilden Sie eine Schlage hier am Laden entlang! Nicht auf dem Parkplatz stehen bleiben!“
Es hatte sich in der Zwischenzeit eine lange Reihe wartender Kunden gebildet, die quer über den Parkplatz standen, zwischen parkenden und ein- und ausfahrenden Auto, sichtlich gereizt und ungeduldig.

Da war ich mir dann sicher: ja, wir Deutschen können keine Schlange! Auch nach einem Jahr Corona nicht.

Der Mann im Aufzug

Den Kopf leicht nach vorne gebeugt, mit massigem Oberkörper auf kurzen dünnen Beinen, erinnert er an einen Gorilla.

Die oberen Knöpfe seines kurzärmligen Hemdes stehen offen und dichte Brustbehaarung guckt hervor. Auch seine Arme sind dicht behaart.

Links trägt er eine dicke silberne Armbanduhr, die rechte Hand ziert ein großer Siegelring mit schwarzem Stein.

Sein Kopf sitzt scheinbar direkt auf dem mächtigen Oberkörper, die Haare sind stoppelig kurz geschnitten. Aus schmalen Augen guckt er müde in die Gegend.

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