Gestern nachmittag, kurz vor Feierabend, sitze ich in der Firma gerade gemütlich auf dem Klo und sinniere vor mich hin, als ich vor der Tür Stimmen höre. Jemand drückt von draußen die Klinke runter.
„Toll“, denke ich, „hat mal wieder jemand nicht gelesen, daß draußen ‚Mitarbeitertoilette – Schlüssel im Büro‘ dran steht. Kein Schlüssel, kein freies Klo!“
Und wie zum Beweis randaliert die Person draußen kräftig rum: Gerüttel am Türgriff, Pochen gegen die Tür und Rufe wie „Mach hin, mach Klo frei, wohl eingeschlafen“ schallen mir dumpf entgegen.
Ich habe keine Eile, schließlich gibt es im Haus noch andere Toiletten für die Kollegen. Die Putzfrau kann es auch nicht sein, die ist mit ihrer Arbeit fertig und hat sich schon von uns verabschiedet. Ein „IST BESETZT“ zu brüllen, ist mir auch zu anstrengend; ich bin schon im Feierabendmodus. Der Kollege wird schon merken, daß sein Drängen vergebens ist.
Aber nein, man nervt draußen weiter rum und stört so meine Meditation. Also richte ich meine Kleidung, wasche gründlich die Hände (Hygiene muß sein!) und öffne die Tür. Vor mir stehen eine junge Frau und ein kleines Mädchen. Da diese Toilette auch ausnahmsweise von Kunden benutzt werden darf, bin ich darüber nicht erstaunt. Wohl aber über die rabiate Art der Dame und so entfährt mir ein erbostes „Wie sind Sie denn drauf?“
Statt einer Antwort oder der Bitte um den Toilettenschlüssel, schiebt sie die Kleine an mir vorbei „Weg, das Kind muß auf’s Klo“, drängt mich hecktisch raus und drückt die Tür gegen meinen Arm. Sowas liebe ich!
Ich „Hör’n Sie mal, das ist ein Firmenklo, da können Sie nicht so drauf“
Sie „Raus, raus, das Kind muß“ und fummelt an der Kleidung des Mädchens rum, das die Szenen mit großen Augen verfolgt.
Ich „Hey, hier ist für Mitarbeiter, da dürfen Sie nicht hin.“ Das stimmt natürlich nicht, aber einen Versuch ist es wert.
Sie „Ich darf das. Gehn Sie weg, das Kind, das Kind…“
Erfahrungsgemäß kommt man bei uneinsichtigen Menschen oft mit lauter Stimme weiter und so brülle ich jetzt „Was ist das denn für asoziales Benehmen?“
Sie blickt mich mit funkelnden Augen an und keift zurück „Asozial sind Sie, weil Sie hier arbeiten.“
Ooooh, Fräulein, falsch, gaaaanz falsch! Auch wenn hier sehr viele einfache, gestrauchelte und von der Gesellschaft vergessene Menschen arbeiten, dieser Spruch geht eindeutig zu weit! Jetzt geht es nicht mehr um mich, sondern um die von meine Kollegen, die trotz aller Fehler das Herz am rechten Fleck haben. Die trotz körperlicher und seelischer Einschränkungen, trotz Gefährdung durch Drogen und Alkohol, trotz drohender Gefängnisstrafen täglich ihr Bestes geben und die Firma am Laufen halten.
Und auf diese Menschen lasse ich nichts kommen!
Für den Bruchteil einer Sekunde schießt mir ein frauenfeindlicher Spruch durch’s Hirn, aber dann entgegne ich gefährlich ruhig „Ok, wenn Sie keinen Schlüssel haben, schließe ich jetzt die Tür von außen ab und Sie können gucken, wie Sie wieder rauskommen.“
Sie „Machst du das, dann rufe ich die Polizei, dann mache ich hier voll das Geschrei. Wirst du schon sehen!“
Ich schließe die Tür, stecke den Schlüssel ins Schloß, klappere damit betont laut rum, als würde ich wirklich abschließen und gehe kopfschüttelnd in unsere Büro zurück.
Ein paar Minuten später kommt ein Kollege rein „Da am Fenster vom Klo ruft eine Frau um Hilfe. Die ist wohl dort eingeschlossen.“
Ich sage ihm, daß die Tür offen sei und ein beherzter Griff an die Klinke sehr helfen würde. Kurz darauf stürmt die Dame in unser Lager, ruft „Der Mann ist ja wohl völlig verrückt“ und verschwindet schnellstens mit Kind und Kegel.


